blog250328
Die Absurdität des Berufslebens - Teil 1
Einleitung
Vor kurzem war mal wieder einer dieser Tage. Manchmal, alle paar Monate (zuletzt tatsächlich mehr als ein Jahr zuvor), kriege ich einen Rappel und möchte mich beruflich umorientieren. Trotz der Tatsache, dass ich erfolgreich selbständig bin und die Leidenschaft meines Lebens zu meinem Beruf gemacht habe. Mit IPA ist für mich ein jahrelanger Traum in Erfüllung gegangen, der mir ein Leben ermöglicht, das ich mir früher in meinen Fantasien ausgemalt habe. Und dennoch verspüre ich regelmäßig den Wunsch, in etwas zurückzukehren, das ich damals unbedingt verlassen wollte: das Angestelltenverhältnis.
Ich war kein guter Angestellter. Anweisungen gebe ich lieber, statt sie anzunehmen und auszuführen. Meine eigenen Visionen sind die, die ich in erster Linie in Erfüllung gehen sehen möchte. Nicht die eines Anderen. An der Umsetzung dieser arbeite ich mit all meiner Kraft, mit all meiner Substanz. Und wie war es als Angestellter? Dienst nach Vorschrift. Bloß nicht zu viel machen. Denn mehr werde ich dafür auch nicht bezahlt. Gerade so viel, dass ich meine vereinbarte Leistung erbringe. Und den Großteil der Zeit beschäftigt aussehe, obwohl ich meist nur 15 bis 20 % meiner offiziellen Arbeitszeit wirklich arbeite. Zumindest war es so früher. Und das war in Zeiten vor künstlicher Intelligenz (mein letztes Angestelltenverhältnis endete im Januar 2020). Wie es heute wäre? Wahrscheinlich nicht besser. Oder etwa doch?
Ich habe beschlossen, ein spannendes Experiment zu wagen. Je nach Verlauf könnte es einfach nur ein interessanter Versuch werden, der bereits im Anfangsstadium scheitert. Womöglich könnte es mir aber auch die Tür in eine Welt öffnen, in der ich in der Vergangenheit unerfolgreich war: im „normalen” Berufsleben.
Die Vorgeschichte
Wie schon erwähnt, der Wunsch nach einer Anstellung kehrt immer wieder zurück. Quasi seit ich meine Selbständigkeit im Juli 2022 gestartet habe. Früher, als IPA noch nicht so gut lief und ich immer wieder Phasen stärkster Existenzängste hatte, erklärte ich mir diese Gedanken damit, dass ich mit der Arbeit aus der Anstellung ein festes Gehalt beziehen würde, von welchem ich meinen Lebensunterhalt bestreiten können würde. IPA müsste keinerlei Profit für mich persönlich machen und jeder Überschuss, der dort früher oder später entstehen würde, könnte reinvestiert werden. Dass ich mit diesem Modell 18 Stunden täglich hätte arbeiten müssen (denn IPA verursacht nicht gerade wenig Arbeit) und es komplett unrealistisch war, dies auf längere Sicht zu schaffen, wusste ich damals nicht bzw. es hat mich nicht beunruhigt.
Heutzutage sieht die Welt etwas anders aus. Auch wenn ich noch lange vom Reichtum bzw. kompletter finanzieller Unabhängigkeit entfernt bin, hat sich die wirtschaftliche Situation solide entwickelt und insbesondere auch meine mittlerweile jahrelange Erfahrung mit Selbständigkeit und den damit verbundenen Schwankungen gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Am Geld liegt es, anders als früher, nicht mehr. Ich brauche kein zusätzliches Gehalt. Aber was brauche ich? Warum diese ständig wiederkehrenden Gedanken?
Leben am Limit
Bei mir ist es immer etwas paradox, fast schon unfreiwillig lustig, dass mir sehr schnell langweilig wird. Deshalb suche ich mir aktiv Beschäftigungen und speziell auch große Herausforderungen. 2013 mit Kampfsport angefangen zu haben, ein Jahr später mit Jiu Jitsu, woraus dann meine heutige Selbständigkeit erwachsen ist, war eine der stärksten Beschäftigungen und größten Herausforderungen meines Lebens. Mit der Expansion von IPA1 zu IPA2 habe ich das höchste Ziel erreicht, das ich mir bisher gesetzt habe. Aber zum Beispiel auch kleinere Dinge, wie seit 2019 das Erlernen der russischen Sprache und regelmäßige Reisen nach Russland zwecks Sprachurlaub gehören dazu. Oder der konsequenten allgemeinen Selbstverbesserung und Entwicklung meiner Persönlichkeit. Fortschritt ist für mich Aufregung. Stillstand ist für mich Rückschritt. Und nichts fühlt sich für mich schlimmer an, als das Gefühl, nicht voranzukommen.
Es ist immer gut, wenn ich wieder in eine Phase komme, in welcher eine große Herausforderung mein Leben bestimmt. Auch wenn diese mich stark unter Druck setzt und wie im Falle der Expansion von IPA, die mit einem hohen Kapitalaufwand einherging und eingangs erwähnte Existenzängste mit sich brachte, mich zur Verzweiflung und den Rand des Zusammenbruchs geführt hat. Jedoch ist mir klar: Wenn das Meer starke Wellen schlägt und ich mit meinem Schiff in einen Sturm gerate – in welchen ich mich selbst hinein manövriert habe –, dann funktioniere ich am besten. Dann fühle ich mich wohl. Obwohl ich leide. Und stellenweise mein Leben hasse.
Und sobald ich in einem sicheren Hafen angekommen bin und die strahlende Sonne genießen, den sanften Geräuschen des Wassers lauschen und eine angenehme Brise des Windes auf meiner Haut spüren könnte, was passiert dann? Ich werde unglücklich. Warum? Weil mir langweilig wird. Ich brauche die Herausforderung. Ich brauche die Ungewissheit. Das Risiko. Und die Angst.
Als (ehemaliger) Borderliner, der durch eine sehr erfolgreiche Verhaltenstherapie Herr dieser schrecklichen Persönlichkeitsstörung werden konnte, bin ich meinem Bedürfnis nach Aufregung in der Vergangenheit meist ausschließlich durch selbstschädigendes Verhalten nachgegangen. Sei es durch den Konsum von Alkohol und Drogen, dem Verfolgen negativer sexueller Kontakte oder durch Selbstverletzung mittels Rasierklingen und Verbrennungen. Auch meine Reise mit Jiu Jitsu hatte viele Jahre sehr negative Verhaltensweisen zu Tage gefördert, auch wenn diese Aktivität mit Sicherheit eine der gesünderen war und mich letzten Endes zu einem Erfolg gebracht hat, der mir anders wahrscheinlich nicht möglich gewesen wäre.
Ungenutztes Potenzial
Nicht zuletzt wegen Borderline (damals komplett undiagnostiziert und unbehandelt) war ich beruflich auch sehr unerfolgreich. Erst durch die erwähnte, Jahre andauernde Psychotherapie konnte ich mich von einem Leben voller Negativität erholen und jahrzehntelang ausgeübte Verhaltensweisen ablegen und meinen hohen Tatendrang zum Positiven wenden. Natürlich spielt bei meinem heutigen Erfolg auch in großem Maße die Tatsache mit, dass ich mit IPA mehr oder weniger machen kann, was ich will. Es ist mein Gewerbe, meine Akademie. Ich bin derjenige, der die Entscheidungen trifft.
Es hat Jahre gedauert – um genau zu sein, sechs bzw. acht – bis ich es schlussendlich geschafft habe, aus dem Hamsterrad des Lebens und aus meinem persönlichen Bürogefängnis auszubrechen. Und nun, mehrere Jahre später, möchte ich freiwillig wieder in dieses zurückkehren. Denn was ist mein Experiment? Ich bewerbe mich seit kurzem aktiv auf Stellenanzeigen für Führungspositionen mit Personalverantwortung. Tatsächlich habe ich nächste Woche ein Vorstellungsgespräch für eine Stelle bei der Stadt Hamburg. Und hierfür habe ich mir einen ganz genauen Plan ausgedacht..